Übernahme der Unterkunftskosten nach SGB II/XII

Anfrage zur Sitzung des Sozialausschusses, 11. April 2013

VO/0320/13

Hilfesuchende nach dem SGB II/XII haben ein Recht auf Übernahme der angemessenen Unterkunftskosten. Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG) müssen die Kommunen zur Bestimmung der Angemessenheit von Unterkunftskosten ein sogenanntes »schlüssiges Konzept« erstellen, anhand dessen in einem transparenten Verfahren die von der Kommune zu übernehmenden Mietobergrenzen für Wohnungen einfachen Standards bestimmt werden können.

Sehr geehrter Herr Norkowsky,

Hilfesuchende nach dem SGB II/XII haben ein Recht auf Übernahme der angemessenen Unterkunftskosten. Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG) müssen die Kommunen zur Bestimmung der Angemessenheit von Unterkunftskosten ein sogenanntes »schlüssiges Konzept« erstellen, anhand dessen in einem transparenten Verfahren die von der Kommune zu übernehmenden Mietobergrenzen für Wohnungen einfachen Standards bestimmt werden können. Dabei ist nach BSG weiter zu beachten, dass sich mit der festgelegten Mietobergrenze auch tatsächlich eine ausreichende Anzahl von Wohnungen finden lässt. Des Weiteren fordert die Rechtsprechung für ein solches Konzept eine nachvollziehbare Definition des Gegenstandes der Beobachtung, z. B. welche Art von Wohnung – Differenzierung nach Standard der Wohnungen, Brutto- und Nettomiete, Differenzierung nach Wohnungsgröße.

In Wuppertal wurde der als angemessen anerkannte Quadratmetermietpreis (Grundmiete) von Wohnungen bis 90 m² Wohnungsgröße im August 2010 von 4,95 Euro auf 4,85 Euro herabgesenkt. Für Wohnungen über 90 m² Wohnungsgröße von 4,55 Euro auf 4,50 Euro pro m². Seit Sommer 2012 gilt die angemessene Grundmiete von 4,50 Euro pro m² für Wohnungen ab 95 m² Wohnungsgröße.

Als Begründung für die Herabsetzung der angemessenen Quadratmetermiete wurde 2010 die Existenz eines neuen Mietspiegels angeführt. In den Richtlinien des Jobcenter Wuppertal für die Kosten für Unterkunft & Heizung nach § 22 SGB II wird zur Festlegung der angemessenen Quadratmetermiete lediglich ausgeführtFür Wuppertal wurde entschieden, dass von einem qm-Festbetrag nach dem aktuellen Mietpreisspiegel auszugehen ist, der für 2 Wohnungsgrößen (bis 90 qm/über 90 qm) nach dem Durchschnitt der Mittelwerte der Gruppen I - III, Stufe d berechnet wird. (Richtlinie vom 9.8.2012, S. 1, mit Verweis auf die Ausführungen in der Richtlinie Stand 3/2012, S. 4).

Obwohl das BSG bereits seit dem Jahr 2008 ein »schlüssiges Konzept« fordert,[1] wurde dieses im Sinne der Rechtsprechung des BSG von der Wuppertaler Stadtverwaltung nicht erstellt. Stattdessen wird vom Wuppertaler Jobcenter lediglich auf den »Wuppertaler Mietspiegel 2010« verwiesen und auf die oben angeführte Festlegung auf eine durchschnittliche Miete bei Wohnungen, die von 1949 bis zum Jahr 1960 fertiggestellt wurden (Mietspiegel Gruppen I - III, Stufe d, s.o.). Auch nach dem Urteil des Sozialgerichts Düsseldorf vom 6.6.2011 (Az.: S 29 AS 3996/10), in dem die entscheidende Kammer festgestellt hat, dass beim Jobcenter Wuppertal kein »schlüssiges Konzept« zur Bemessung der Unterkunftskosten vorliegt, wurden offensichtlich keine Schritte eingeleitet, um den rechtswidrigen Zustand zu beheben.

Hierzu unsere Fragen:

1. Wie wurde der Gegenstand der Betrachtung, z.B. die Art der Wohnungen und Differenzierung nach Standard, auf dem die jeweils angemessene Quadratmetermiete basiert, nachvollziehbar definiert?

2. Auf welcher Datengrundlage und wie wurde der Preis von 4,85 Euro bzw. 4,50 Euro pro m² für Wohnungen über 95 m² (vor August 2010: 4,95 Euro bzw. 4,55 pro m² für Wohnungen über 90 m²) errechnet?

3. In welchen Zeiträumen und wie wird überprüft, ob zu der festgelegten Höchstmiete von 4,85 Euro pro m² (zuvor 4,95 Euro bzw. die entsprechenden Quadratmetermietpreise für größere Wohnungen) auch tatsächlich eine ausreichende Anzahl von Wohnungen zur Anmietung zur Verfügung steht?

(Bitte die Prüfintervalle der letzten drei Jahre auflisten)

3 a. Auf welche Datenquellen stützt sich die Stadtverwaltung?

4. Wie viele Wohnungen mit einer Höchstgröße von

            a) 50 qm
            b) 65 qm
            c) 80 qm
            d) 95 qm

standen zu einem Quadratmeterpreis von 4,85 Euro (4,50 Euro bei Wohnungen ab 95 m²) nach Kenntnis der Stadtverwaltung

            im Januar 2011/ 2012 und
            im Juli 2011/ 2012

zur Anmietung für die Hilfesuchenden zur Verfügung?

4 a. Auf welche Datenquellen stützt sich die Stadtverwaltung?

5. Wie viele Hilfesuchende nach dem SGB II und SGB XII leben zum Stichtag 30.9.2012[2] nach den Richtwerten der Stadtverwaltung in einer nach der Produkttheorie des BSG unangemessenen Wohnung? Die Angaben bitte in Anzahl der Haushalte (nicht Personenzahl) aufgeschlüsselt nach Ein-Personenhaushalt, Zwei-Personenhaushalt usw.

6. Welche Mehraufwendungen würden der Stadt Wuppertal monatlich entstehen, wenn der angemessene Quadratmeterpreis nicht 4,85 Euro je m² betragen würde, sondern 5,60 Euro je m²?

7. Wie hoch waren die Summen insgesamt

a) im Jahr 2011,
b) von Januar bis September 2012,

um die die Stadtverwaltung die tatsächlichen Mieten von Leistungsberechtigten nach dem SGB II und SGB XII auf die Mietobergrenze von 4,85 Euro je m² (bei größeren Wohnungen auf 4,50 Euro) gekürzt hat (alle Fälle, bei denen eine »Kostensenkung« erlassen wurde)?

8. Wie erklärt sich die Stadtverwaltung, dass der von ihr zugrunde gelegte angemessene Quadratmeterpreis in Höhe von 4,85 Euro (zuvor 4,95 Euro; bei größeren Wohnungen entsprechend) sich seit Jahren trotz Inflation und allgemeiner Preissteigerung (auch) auf dem Wuppertaler Wohnungsmarkt um keinen Cent nach oben bewegt, insbesondere vor dem Hintergrund, dass das führende Online-Portal »Immobilienscout 24« allein für 2012 eine Preissteigerung von 1,8 Prozent zum Vorjahr auf dem Wuppertaler Wohnungsmarkt festgestellt hat?

9. Wie wird die Stadtverwaltung bei der Bemessung der angemessenen Unterkunftskosten der Wuppertaler Lage des Wohnungsmarktes gerecht, der sich derart darstellt, dass ein nicht unerheblicher Anteil der in Wuppertal verfügbaren billigen Wohnungen den vom BSG geforderten, nach Lage und Bausubstanz, »einfachen Standard« aufgrund ihres desolaten Zustands bei weitem unterschreiten? (Eine Anmietung solcher Wohnungen ist folglich nicht zumutbar.)

10. Der Wuppertaler Mietspiegel 2010/2012 erfasst die Wohnungen nicht nach einfachem, mittlerem und gehobenem Standard. Wie selektiert die Stadtverwaltung vor diesem Hintergrund die Wohnungen »einfachen Standards« und deren Quadratmeterpreise?

11. Die Mietobergrenze von 4,85 Euro je m² findet sich nur einmal im Wuppertaler Mietspiegel 2010/2012 als Mittelwert für Wohnungen, die von 1949 bis 1960 bezugsfertig wurden. Nach ständiger Rechtsprechung des BSG sind grundsätzlich alle Wohnungen des einfachen Standards bei der Berechnung einer Mietobergrenze zu berücksichtigen. Kennt die Stadtverwaltung diese Rechtsprechung des BSG? Falls ja: Warum wird sie nicht berücksichtigt?

Vielen Dank.

Mit freundlichen Grüßen

Petra Mahmoudi

Mitglied im Ausschuss für Soziales, Familie und Gesundheit

Hier die Antwort der Verwaltung



[1]    z.B. BSG vom 18.6.2008, 14/7b AS 44/06 R

[2]    Falls zu dem Stichtag noch keine Angaben gemacht werden können, bitte selbst den aktuellsten Stichtag wählen, zu dem Daten zur Verfügung stehen