Aktuelle halbe Stunde zur Kündigung des Nachtbürgermeisters

beantragt durch DIE LINKE im Rat

DIE LINKE im Rat beantragte zur Ratssitzung am 5. September 2023 eine Aktuelle halbe Stunde zur Kontroverse über die Besetzung der Nachtbürgermeisterstelle für das Luisenviertel.

Die ganze Diskussion in der Ratssitzung kann im RatsTV eingesehen werden

Hier die gehaltenen Redebeiträge der Fraktion.

Susanne Herhaus:

„Sehr geehrter Herr Oberbürgemeister,

sehr geehrte Damen und Herren,

im Sozialausschuss am 15.08.2023, waren die Mitglieder von dem neuen Nachtbürgermeister und seinem Konzept für die neu eingerichtete Stelle überzeugt, auch die der SPD.

Alle Fraktionen äußerten Ihre Zufriedenheit über den Ausgang einer langen Suche nach einem Nachtbürgermeister.

Dass dann der SPD-Bezirksbürgermeister und der Sprecher der SPD in der BV, Tim verbal so attackierten, empfinde ich als unverschämt. Sich für den Erhalt des soziokulturellen Zentrums einzusetzen, sollte nicht zwangsläufig zur Diskriminierung der Person führen. Die negative Reaktion erklärt sich nur dadurch, dass allein die SPD in der BV-Elberfeld, dem Moscheebau zugestimmt hat.

Ich kannte Tim bis dahin nicht.

Am 17.08 wurde der gerade ernannte Nachtbürgermeister der Stadt Wuppertal mit sofortiger Wirkung wieder abgesetzt.

Die Begründung:

Neue Informationen würden nun vorliegen. Wie sich heraus stellte ging es um die Nähe zum AZ und Einträge im Führungszeugnis.

Das waren aber keine neuen Informationen.

Ich traf Tim zufällig einige Tage später in Barmen und sprach ihn an. Er versicherte mit, dass der IB sowie auch Herr Dr. Kühn vorab von ihm über seine Jugendsünden, sowie sein Einsatz für das AZ informiert wurden.

ALLEN Beteiligten war dies bekannt, zumal Tim bei dem besagtem WDR 5 Stadtgespräch neben Dr. Kühn gesessen hat.

Tim erzählte mir dann noch, wie unverständlich es ihm ist, dass seine berufliche Zukunft innerhalb von 48 Stunden zerstört wurde und er jetzt sehr verzweifelt wäre. Er hätte stets mit offenen Karten gespielt.

Ich kann ihm da nur beipflichten, auf der falschen politischen Seite und Sozialarbeiter zu sein, dass ist eine andere Liga, wie als Mitarbeiter im Landtag zu arbeiten.

Interessanter weise wurde ebenfalls 2018, bei einer ähnlichen Straftat einer anderen, in der Öffentlichkeit stehenden Person, das entsprechende Verfahren bei einer Geldbuße von 6.400 Euro eingestellt.“

 

Bernhard Sander:

„Sehr geehrter Herr Oberbürgermeister, meine Damen und Herren Stadtverordnete

Bei der Entlassung von Tim als Nachtbürgermeister haben wir die menschliche Seite beleuchtet und den Vorgang historisch eingeordnet.

Es bleibt aber noch etwas offen in der politischen Analyse: In der Bewertung eines satirischen Flugblattes verdreht die SPD die Zusammenhänge:

Tim – Ich kenne ihn persönlich gar nicht und nenne ihn weiter so, um wenigstens einen Rest von Persönlichkeitsschutz zu wahren – Tim wurde entlassen, d. h. faktisch: ihm wurde Einkommen und Existenzgrundlage entzogen. Was ist das im Vergleich zu einem erkennbar satirischen Flugblatt, das zum Boykott des Weinhändlers Kring aufruft?!

Tim hat sich den Zorn des Weinhändlers zugezogen, weil der Weinhändler in der Bezirksvertretung, der er vorsteht, keine Mehrheit für den Zielbeschluss zur Überbauung des AZ gefunden hat. Tim hatte in einer öffentlichen wdr-Runde die Argumente gegen die räumliche Aufwertung der DITB an der Gathe vorgetragen. Auch hier stellt es die SPD nach dreißig Jahren guter Nachbarschaft so dar, als sei das AZ der Störenfried und nicht der Plan, das AZ zu überplanen d. h. abzureißen. Es ist also die Ratsmehrheit aus SPD, FDP und CDU, die - im Verein mit der türkischen Religionsbehörde DITIB - die gute Nachbarschaft zerstört.

Um diese Umkehrung zu kaschieren, macht man jemanden, der die AZ-Seite argumentativ vorträgt, zum Täter, den man durch politischen Einfluss mit dem Ziel der Kündigung des Arbeitsverhältnisses abstraft. Und um das wiederum zu kaschieren, wird eine Amateur-Satire zur Kampfschrift uminterpretiert.

Wen glauben Sie, finden Sie eigentlich unter solchen Vorzeichen noch, der im Falle eines öffentlich ausgetragenen Konflikts im Luisenviertel als Moderator zwischen gegensätzlichen Interessen vermitteln will?! Muss er oder sie doch fürchten, eine abweichende Meinung als Nachtbürgermeister könne existenzgefährdende Folgen haben.“

 

Gerd-Peter Zielezinski:

„Die kritische Haltung gegenüber dem DITIB-Moscheebaus an der Gathe und sein Engagement für den Erhalt des Autonomen Zentrums, reichen aus, ihm seine Eignung als Moderator zwischen Feiernden, Bewohner*innen und Gastronom*innen im Luisenviertel abzusprechen.

Eigentlich hätte ich solche Anfeindungen gegen Menschen aus dem Umfeld des Autonomen Zentrums eher aus dem ganz rechten Lager erwartet. Die Entlassung, erinnert nicht nur mich an den Radikalenerlass vor 50 Jahren.

Der unter Bundeskanzler Willy Brandt eingeführte Radikalenerlass gilt bis heute als eine der umstrittensten Maßnahme, die für viele politisch linksstehende Menschen zu einem Berufsverbot führte.

Willy Brandt hat den Radikalenerlass schon einige Jahre später als Irrtum bezeichnet. Diese Erkenntnis schlägt die SPD in Wuppertal in den Wind.

Völlig unverständlich ist das schnelle Einknicken des Sozialdezernenten. Er kannte den Bewerber für die Stelle des Nachtbürgermeisters. Er saß gemeinsam mit ihm, dem Vertreter der Autonomen Szene, auf dem Podium einer Diskussionsveranstaltung des WDR.

Erst hielt er den Nachtbürgermeister für geeignet. Da er trotz seinem Ehrenamt im Umfeld des Autonomen Zentrums in der Lage sei, vorurteilsfrei auf alle Beteiligten einzugehen.

Aber nun zieht er ominöse neue Erkenntnisse aus dem Hut, die einer Weiterbeschäftigung im Wege stünden.

Ohne diese zu benennen

Man kann also annehmen, dass Schließen der Sozialdezernent durch den Druck aus den eigenen Reihen eingeknickt ist.

Selbst sollte es eine Verurteilung im Zusammenhang einer Demonstration des geschassten Nachtbürgermeisters geben, möchte ich daran erinnern, dass bei einem ähnlich gelagerten Fall, nur die äußerst Rechten eine Beendigung des Arbeitsverhältnisses gefordert haben.

Leiter einer Behörde kann man bleiben-

Das fanden wir richtig!

Aber als Nachtbürgermeister ist man untragbar.

Das finden wir falsch!

Da wird doch mit zweierlei Maß gemessen!“