Gemeinsamer Antrag: Städtische Kofinanzierung des Lern- und Gedenkorts Kemna
VO/0580/23
Sehr geehrter Herr Oberbürgermeister,
die Fraktionen von SPD, CDU, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, FDP und DIE LINKE beantragen, der Hauptausschuss und der Rat der Stadt Wuppertal mögen beschließen:
Die Verwaltung wird beauftragt sicherzustellen, dass der vom evangelischen Kirchenkreis Wuppertal geplante Lern- und Gedenkort Kemna seitens Stadt für die Phase der Konzeptentwicklung kofinanziert wird.
Die entsprechenden Finanzmittel in Höhe von 75.000 Euro werden im laufenden Haushaltsjahr bereitgestellt.
Begründung:
Seit 2019 ist das Gelände des ehemaligen KZ Kemna an der Beyenburger Straße im Besitz des Gesamtverbandes evangelischer Gemeinden im Kirchenkreis Wuppertal. Neben einem neuen Standort für das Archiv des Kirchenkreises ist ein Gedenk- und Lernort für das ehemalige Konzentrationslager geplant.
Von Juli 1933 bis Januar 1934 bestand das Wuppertaler Konzentrationslager Kemna. Die Häftlinge wurden in der ehemaligen Putzwollfabrik an der Beyenburger Straße unter verheerenden hygienischen Zuständen eingepfercht. Zu den Inhaftierten gehörten vor allem sog. politische Gefangene aus dem Bergischen Land. Während seines Bestehens waren insgesamt ca. 2.500 bis 3.000 Personen in Kemna inhaftiert, so analysiert Dr. David Mintert in seiner grundlegenden Untersuchung.
Das KZ Kemna war berüchtigt für grausamen Zwang, Folter und unmenschliche Zustände. (Quelle: www.kemna-erinnern.de/informationen.html)
Ein Mahnmal an der gegenüberliegenden Straßenseite erinnert an den Widerstand und an die Leiden der Inhaftierten des KZ Kemna. Der Erwerb des Geländes des ehemaligen KZ durch die evangelische Kirche bietet die Chance, in Verbindung mit dem Mahnmal nun einen Lern- und Gedenkort am authentischen Ort neu zu gestalten.
Ilka Federschmidt, Superintendentin des Kirchenkreises Wuppertal, erklärte hierzu im April 2023, es spiele nicht nur für unsere Region, sondern für ganz NRW eine besondere Rolle, denn Kemna sei das einzige der rund 70 frühen KZ-Lager, das es im Bereich unseres heutigen Bundeslandes gegeben habe. Die evangelische Kirche habe damals versäumt, Partei für die Inhaftierten zu ergreifen und eine beschämende Rolle in Kemna gespielt. Aus dieser Verantwortung heraus habe der evangelische Kirchenkreis die Initiative für die Entstehung eines neuen Gedenkortes in NRW ergriffen.
In einem ersten Schritt ließ die evangelische Kirche das Fabrikgebäude, das in den letzten 90 Jahren gewerblich genutzt und mehrfach umgebaut wurde, bauhistorisch untersuchen. Als nächstes geht es um die Erarbeitung eines historisch-pädagogischen und architektonischen Konzepts für die Gedenkstätte mithilfe einschlägiger Fachpersonen. Die weitere Konzeptentwicklung soll in Zwischenschritten immer wieder transparent gemacht werden und mit Partnern in der Erinnerungskultur der Austausch dazu stattfinden.
Unter dem Titel „Kemna. Ein neuer Lernort für Demokratie“ hatte der Kirchenkreis bereits im April dieses Jahres Fachleute in- und außerhalb Wuppertals zum Austausch über die Themen eingeladen, die für ein künftiges Konzept relevant sein werden.
Der neue Gedenkort solle als Lernort für Demokratie und Menschenrechte das Interesse von Bürgerinnen und Bürgern, vor allem von jungen Menschen wecken, so der Wunsch. Auch über Wuppertal hinaus sollen die Menschen angesprochen werden. Der authentische Ort hat die einzigartige Chance, unmittelbar „vor der Haustür“ in Wuppertal die Auseinandersetzung mit dem Übergang von einem Rechtsstaat in eine Willkürherrschaft zu ermöglichen. Menschliche Schicksale der Inhaftierten sowie die Profile von Mitgliedern der Wachmannschaften und von Verantwortlichen – mehrheitlich Wuppertaler Bürger – lassen die Geschichte auch für junge Leute emotional und kognitiv sehr gut erschließbar werden.
Diese wichtigen Vorhaben sollten von städtischer Seite auch finanziell unterstützt und somit die Verantwortung, des Gedenkens an und der Aufklärung über diesen grausamen Teil der Wuppertaler Stadtgeschichte, geteilt werden.
Mit freundlichen Grüßen
gez.
Fraktionsvorsitzende
Klaus Jürgen Reese
Caroline Lünenschloss und Ludger Kineke
Denise Frings und Paul Yves Ramette
Alexander Schmidt
Susanne Herhaus und Gerd-Peter Zielezinski