Rat 14. Dezember 2015, TOP 1.1. Haushaltsreden

Sehr geehrter Herr Oberbürgermeister,

sehr geehrte Damen und Herren,

2012 wurde Wuppertal Stärkungspakt-Kommune.

Damit war verbunden, dass die Stadt gezwungen war nach diversen Haushaltskonsolidierungsplänen einen Haushaltssanierungsplan vorzulegen, dessen 5.Fortschreibung wir heute zur Abstimmung vorliegen haben.

2012 führte die Fraktion DIE LINKE in der Diskussion über die Haushaltsberatungen an: Dieser Stärkungspakt Stadtfinanzen und der dadurch verursachte Haushaltssanierungsplan können uns nicht überzeugen. Und das gilt bis heute!

Denn trotz Stärkungspakt und  bislang erfolgreich umgesetzten HSP nimmt die bilanzielle Überschuldung der Stadt zu und von einer Entschuldungsperspektive kann keine Rede sein.

Der geforderte Haushaltsausgleich für das Jahr 2016 wird nun für 2017 prognostiziert. Für DIE LINKE stellt aber ein ausgeglichener Haushalt keinen Wert an sich dar. Denn er wurde im Wesentlichen durch Kürzungen erreicht, die im Bereich  des Sozialen und der Kultur besonders schmerzlich sind.

Aber nicht nur dort.

So heißt es im Bericht der Gemeindeprüfungsanstalt, ich zitiere:

„Die Überalterung des Straßenvermögens bei einer durchschnittlichen Restnutzungsdauer von nur noch elf Jahren (Stand 31.12.2012) und die geringe Reinvestitionsquote bergen bereits mittelfristig entsprechende Risiken. Ein unverändertes Investitionsvolumen kann zu einem ungewollten Werteverzehr führen und somit nicht nur den städtischen Haushalt entsprechend negativ beeinflussen sondern auch den Straßenzustand erheblich beeinträchtigen.

Kennzeichnend für das geringe Unterhaltungs- und Investitionsniveau in Wuppertal ist, dass bereits erste Brückenbauwerke gesperrt oder zurückgebaut worden sind.“

Die Empfehlungen der Bezirksvertretungen zum Haushalt zeigen, wie Recht das RPA mit seiner Einschätzung hat.

Denn bei den Empfehlungen wird immer die Instandhaltung von Straßen und Brücken angemahnt.

Investitionen in die Infrastruktur unserer Stadt sind dringend geboten, um die Lebensqualität zu erhalten und den Verfall des Anlagevermögens zu stoppen!

Der jetzt vorgelegte Haushaltsplanentwurf bietet kaum noch „Aufregerthemen“.

Die begonnenen Kürzungen werden weiter betrieben.

Haben wir uns bereits an alle Einschränkungen, die mit den bereits beschlossenen Kürzungen einhergingen, gewöhnt?

Ich denke: Nein. Es ist keine Gewöhnung eingetreten.

Das Ergebnis der OB- Wahl wird man wohl kaum als die Bestätigung eines “Weiter so“ auffassen können.

Die Menschen haben die Nase voll vom Schlange stehen vor der Kfz-Zulassung, dem Versorgungsamt  und dem Meldeamt. Sie sehen es nicht ein, warum die Jugendsozialarbeit in einem Stadtteil zugunsten der Jugendsozialarbeit in einem anderen Stadtteil gekürzt wird.

Blicken wir nach vorn:

Im Haushaltsplanentwurf 2016/2017 ist die Handschrift des neuen Oberbürgermeisters zu ahnen:

Der Entwurf enthält kleine Verbesserungen, sie weisen in die richtige Richtung. In seiner Haushaltsrede setzt der neue Oberbürgermeister neue Akzente. Das Kürzungsprogramm „Haushaltssanierung“ wird zwar fortgesetzt, nicht aber verschärft.

Hier und da werden die gewonnenen Spielräume genutzt, um Zeichen zu setzen.

Zum Beispiel im Integrationsressort. Hier wurden zusätzliche Stellen und Mittel zur Verfügung gestellt.

Das zusätzliche Geld kommt nicht nur vom Land.

Dies begrüßen wir ausdrücklich!

Wir machen keinen Unterschied, wenn es  um die Unterstützung hilfesuchender Menschen geht.

Egal, ob es sich um alteingesessene, zugereiste oder geflüchtete Menschen handelt!

In Ihrer ersten Rede im Rat in neuer Funktion betonten Sie, Herr Oberbürgermeister, die Wichtigkeit der präventiven Arbeit, vor allem im Bereich von Kindern und Jugendlichen. Das ist gut investiertes Geld.

Das sieht DIE LINKE genauso, deshalb auch unser Antrag die Freien Träger besser und verlässlich auszustatten.

Die SPD/CDU-Mehrheit im Ausschuss für Soziales, Familie und Gesundheit lehnte den Haushaltsantrag der Arbeitsgemeinschaft Freie Wohlfahrtspflege ab, obwohl alle die aus der Deckelung entstandene Problematik erkennen und eine Priorisierung beim Nachtragshaushalt versprechen.

Wenn Sie also die Risiken sehen, sollten Sie dem Antrag zustimmen, um die Risiken zu minimieren. Durch die jahrzehntelange Deckelung der Städtischen Zuschüsse für die Freien Träger ist der Risikofall bereits eingetreten:

„Die Arbeit findet bereits jetzt mit einem Drittel weniger Mittel statt, eine weitere Reduzierung bringt es mit sich, dass Aufgaben nicht mehr wahrgenommen werden können.“         

Wir bringen den Antrag der AGFW heute im Rat erneut zur Abstimmung und geben Ihnen damit die Möglichkeit auf Ihre warmen Worte im Ausschuss auch Taten folgen zu lassen.

Dass die Arbeit der freien Träger für das Soziale in unserer Stadt unverzichtbar ist- darüber besteht ja weitgehend Einigkeit.

Deshalb fordern wir Sie auf,  dem Antrag der AGFW zuzustimmen!

Leider sind oft noch nicht einmal kleine Änderungen der Kürzungspolitik möglich. So wurde unser Antrag einen Teil der zusätzlichen Einnahmen der Erhöhung der Vergnügungssteuer für die Bekämpfung der Spielsucht einzusetzen schon vor Monaten abgelehnt.

Das ist für uns nicht nachvollziehbar!

Der Ausbau des offenen Ganztags ist eine lange erhobene Forderung der LINKEN und entspricht den Bedürfnissen der WuppertalerInnen.

Mit dem neuen Haushalt kommt Wuppertal dem gesetzlichen Anspruch auf Betreuungsplätze für unter Dreijährige ein Stück entgegen.

Allerdings dürfte es noch ein großes Problem werden, für die neuen KITAS Fachpersonal in ausreichender Anzahl zu finden. Finanzstärkere Kommunen haben da oft die Nase vorn.

Bei städtischen Jugendeinrichtungen führt der Personalabbau weiter zu einer Verschlechterung, die trotz engagierter MitarbeiterInnen, letztendlich zu Qualitätsverlusten in der Arbeit mit Kindern und Jugendlichen führt.

Von der Arbeitsverdichtung bei den MitarbeiterInnen der Bezirkssozialdienste brauchen wir gar nicht erst zu sprechen.

Hier ist es angebracht, den Gedanken der Prävention stärker in die Haushaltsplanungen einfließen zu lassen! Denn wie schon vorhin vorgetragen, Präventive Arbeit spart langfristig Kosten!

Der im Haushalt/ HSP festgeschriebenen Abbau von MitarbeiterInnen ist in manchen Bereichen, wie zum Beispiel im Umweltschutz eklatant: Die Kürzung der Stellen beträgt ¼ der bisherigen MitarbeiterInnen.

In anderen Bereichen sind die Kürzungen moderater, bedeuten aber oft, dass, wenn einem kleinen Stellenkontingent, noch ein geringer Teil gekürzt wird, die Arbeit nicht mehr qualitativ gut ausgeführt werden kann oder aufgegeben werden muss. Die Stellenkürzungen, die in der Gleichstellungsarbeit bereits erfolgt sind, haben dazu geführt, dass insbesondere der Arbeitsbereich "Frauen und Gesundheit" wegfiel und die Tätigkeit der Arbeitskreis-Koordination "Zwangsprostitution und Frauenhandel" aufgegeben werden musste; der Arbeitskreis ist dann wegen dieses Wegfalls zusammengebrochen und existiert nicht mehr.

Bestehende und gut arbeitende Netzwerk-Strukturen sind somit zum Nachteil der in Zwangsprostitution gezwungenen Frauen zerstört.

Das ist eine Entwicklung, der wir nicht tatenlos zusehen können!

Trotz der positiven Signale des neuen Oberbürgermeisters bleibt die Lage der Kultur prekär.

Darüber kann auch ein so Erfolg versprechendes Projekt wie das Tanz-Zentrum nicht hinwegtäuschen.

Auch reicht die begrüßenswerte Erhöhung des Zuschusses für die Bühnen bei weitem nicht aus, um deren Lebensfähigkeit zu sichern.

Dies trifft für die freie Kulturszene in gleichem Maße zu.

Sponsorengelder und ehrenamtliches Engagement allein können oft die kulturelle Infrastruktur unserer Stadt nicht erhalten. Dafür ist die Immanuelskirche das jüngste dramatische Beispiel. Auch wenn der weitere Betrieb

mal erst gesichert erscheint, bleibt die finanzielle Lage äußerst angespannt.

Die vielen kleineren Kulturstätten wie das ADA oder die Immanuelskriche sind kulturelle Landmarken. Für ganz NRW, aber auch für die Nachbarschaft im Stadtteil.

Meine sehr geehrten Damen und Herren, ihr Erhalt muss unbedingt gesichert werden!

Trotz der geschilderten positiven Aspekte im neuen Haushalt bleibt DIE LINKE bei ihrem Standpunkt, dass Kürzen nach wie vor ein völlig ungeeignetes Mittel ist, gegen Haushaltslöcher zu kämpfen. Dafür Beispiele:

Das städtische Investitionsniveau (121 Euro pro Kopf) bleibt weiterhin unter dem Bundesdurchschnitt (270 Euro pro Kopf). Das besagt eine brandneue Studie des DIW. Zugunsten des Döppersberg-Projekts wird weiterhin das  öffentliche Anlagevermögen auf Verschleiß gefahren.

Auch die Kürzungen im Sozialressort 208 entsprechen nicht dem vom OB formulierten Anspruch einer vorbeugenden Sozialpolitik!

Schon 2012 wies DIE LINKE darauf hin, dass die Stadt kein Ausgabenproblem, sondern ein Einnahmeproblem hat und dass dies nicht auf lokaler Ebene zu lösen sei.

Gut: Mit den jährlich 60 Millionen aus dem „Stärkungspakt Stadtfinanzen“ erkennt die Landesregierung an, dass Wuppertal nicht selbst die Schuld an der Finanzmisere trägt. Die Schuldigen an dieser Misere sind die SPD/Grüne/CDU/FDP-Bundesregierungen, die mit immer neuen Steuersenkungen für die Reichen und großen Konzerne, Kommunen wie Wuppertal finanziell ausgetrocknet haben.
Doch die sogenannte Hilfe zur Selbsthilfe weckt Illusionen: Ein ausgeglichener Haushalt ändert noch nichts an den Altschulden und den dafür nötigen Zinszahlungen.

Die Verpflichtung, den Haushalt auszugleichen bleibt auch dann, wenn die kalkulierten Einnahmen ausbleiben oder sich der historisch niedrige Zinssatz für die Altschulden die zur Zeit ca. 2 Mrd. € betragen, erhöhen sollte.

Dann muss weiter gekürzt werden.

Die Schulden sind, wie gesagt, das Ergebnis einer verfehlten Steuer- und Sozialpolitik im Bund und im Wesentlichen nicht hausgemacht. Deshalb ist DIE LINKE auch weiterhin nicht bereit, zu akzeptieren, dass dafür die WuppertalerInnen in Form von miserabler Lebensqualität, der Ausdünnung der städtischen Infrastruktur und des Öffentlichen Dienstes bezahlen sollen.

Die Schere zwischen armen und reichen Kommunen in Deutschland driftet immer weiter auseinander.

Deshalb muss die Politik dafür sorgen, dass die Kommunen sich dauerhaft und nachhaltig finanzieren können!

Die Gewerbesteuer als wichtigste Einnahmequelle der Städte und Gemeinden muss weiterentwickelt und ausgebaut werden!

Zur Weiterentwicklung der Gewerbesteuer hat DIE LINKE wiederholt Anträge im Bundestag eingebracht.

In Richtung Große Kooperation  möchte ich feststellen, dass es außerordentlich hilfreich wäre, wenn ihre Abgeordneten in Berlin diese Initiativen unterstützen würden!

Die Einbeziehung aller unternehmerisch Tätigen, auch der Freiberufler in die Gewerbesteuerpflicht würde dazu führen, den Kommunen mehr vom Steuerkuchen zu verschaffen.

Altschuldenfonds, Weiterentwicklung der Gewerbesteuer sind nicht von der Stadt aus zu regeln.

Aber nur mit einer verlässlichen Einnahmen-Struktur und einen Fonds für die Altschulden erhalten die Kommunen ihre Gestaltungsmacht zurück.

Unsere Kritikpunkte haben sich seit 2012 nicht wirklich verändert. Die positiven Veränderungen sind leider nur symbolischer Natur. Aus diesen Gründen lehnt die Ratsfraktion DIE LINKE den Haushaltsentwurf 2016/2017 und die 5. Fortschreibung des Haushaltssanierungsplans ab.

        Vielen Dank.