Ratssitzung 28. November 2016, TOP 2.1, VO/1705/15/1, Verordnung über das Offenhalten von Verkaufsstellen am 04.12.2016

Gehalten von Gerd-Peter Zielezinski, Fraktionsvorsitzender DIE LINKE, Wuppertal

Sehr geehrter Herr Oberbürgermeister,

sehr geehrte Damen und Herren,

mit der heute vorgelegten Satzung zu den Sonntagsöffnungen  am 2. Advent will man die fehlerhaften  Entscheidungen von Rat und Verwaltung der Vergangenheit ausbügeln. Dienstbeflissen ist man damit dem Antrag der  FDP von vor 14 Tagen umgehend nachgekommen, eine rechtskonforme Lösung für die Ladenöffnungen für den 2. Advent zu finden. Vor 14 Tagen wurde die FDP auch von Vertretern der GROKO mit starken Worten kritisiert. Allerdings hatten diese Beiträge  eine Verfallzeit von nur einer Nacht. Am nächsten Morgen sah die Welt ganz anders aus und die nun vorliegende Regelung wurde verabredet. Das Sortiment wurde eingeschränkt und der Geltungsbereich wurde begrenzt und fertig war die rechtskonforme Lösung.

Also alles paletti???

Das kann man glauben, wenn man nur den Teil der Urteilsbegründung kennt, die in der Begründung des Antrags zitiert wird:

„Die Ladenöffnung entfaltet dann eine geringe prägende Wirkung, wenn sie nach den gesamten Umständen als bloßer Annex zu anlassbezogenen Veranstaltung erscheint.

Das kann in der Regel nur dann angenommen werden, wenn die Ladenöffnung auf das Umfeld des Marktes begrenzt wird, weil nur insoweit ihr Bezug zum Marktgeschehen erkennbar bleibt.“

Der nächste Teil der der Urteilsbegründung wird aus naheliegenden Gründen nicht zitiert-  und deshalb will ich es hier tun:

„Darüber hinaus bleibt die werktägliche Prägung der Ladenöffnung nur dann im Hintergrund, wenn nach der anzustellenden Prognose der Besucherstrom, den der Markt für sich genommen auslöste, die Zahl der Besucher überstiege, die allein wegen der Öffnung der Verkaufsstellen kämen.“

Aber liegt nun eine solche Prognose vor? In der Ratssitzung am 14.11. war davon noch keine Rede, obwohl über diesen Tagesordnungspunkt lange und teilweise hitzig diskutiert wurde. Aber am nächsten Morgen um 7 Uhr lag sie vor.

Genauer gesagt, es lag eine E-Mail des Einzelhandels mit der Aussage vor, dass es laut dem Veranstalter Orion 60Ts Besucher des Weihnachtsmarktes auch ohne Ladenöffnung gäbe und 45-55 Ts. Menschen sonntags in die Läden strömten. Außer diesen nackten Zahlen gibt es keine weitere Information.

Aber ohne Kenntnis der Untersuchungsmethoden ist gar keine Aussage möglich wie weit die Zahlen überhaupt miteinander vergleichbar und wie valide sie sind. Die Informationen aus Barmen lassen überhaupt keinen Schluss zu und aus Ronsdorf äußert man sich zu dieser Frage gar nicht.

Fazit: Rechtssicherheit sieht anders aus.

Das ist auch kein Wunder. Wie sollte in der Kürze der Zeit auch solideres auf die Beine gestellt werden.

Die neue Regelung ist genauso rechtskonform, wie die vielen Regelungen der Vergangenheit, gegen die nicht geklagt wurde.

Denn es gilt: Wo kein Kläger ist, ist kein Richter.

Gegen die erfolgreiche Klägerin (ver.di) und ihren Geschäftsführer wurde eine regelrechte Kampagne geführt, die nicht immer sachlich war.

Diejenigen, die die von GG und Landesverfassung geschützte Sonntagsruhe bewahren wollen, gelten als fürchterlich altmodisch und mittelstandsfeindlich.

Ich frage sie:

Gelten GG- oder Verfassungsartikel nicht mehr, wenn sie dem vermeintlichen  Zeitgeist widersprechen?

Ist es nicht erstaunlich, wenn sich Menschen über eine vom Gericht kassierte Sonntagsöffnung mehr erregen können als über den Umstand, dass jedes 3. Kind in unserer Stadt arm ist?

Und die vorgebrachten Argumente sind auch schwach.

Die Liberalisierung der Ladenöffnungszeiten hat weder Arbeitsplätze geschaffen noch den Mittelstand gefördert.

Sonntagsarbeit ist noch nicht die Regel, doch in den letzten Jahrzehnten Stück für Stück „normaler“ geworden. Dabei entpuppen sich die ökonomischen Begründungen oft als kurzsichtig: Ein Händler, der mit verkaufsoffenen Sonntagen einen Wettbewerbsvorteil erringen will, merkt bald, dass andere Geschäfte nachziehen. Eine Arbeitnehmerin, die sich wegen der Lohnzuschläge freiwillig für die Sonntagsschicht meldet, realisiert, dass diese Sonderzuschläge langfristig sinken, weil die Arbeit am Sonntag immer üblicher wird.

Und ein Konsument, der am liebsten rund um die Woche alle Einkaufsmöglichkeiten und Dienstleistungen in Anspruch nimmt, stellt fest, dass er irgendwann selber sonntags arbeiten muss. Am Ende dieser Spirale gibt es für niemanden mehr ökonomische Vorteile, sondern lediglich für alle einen siebten Werktag.

Viele fragen: Passt der arbeitsfreie Sonntag noch in unsere Zeit?

Wir sagen entschieden JA!

Denn in einer Zeit, in der Erkrankungen psychischer Art aufgrund von Stress am Arbeitsplatz stark zugenommen haben, ist ein gemeinsamer Tag der Ruhe besonders wichtig.

Um mit Guido Grüning von der SPD zu sprechen:

„Wir sind dazu da, die Sonntagsruhe zu schützen und nicht mit Füßen zu treten.“
Dies haben auch die Bürgerinnen und Bürger Münsters bekräftigt, als sie sich in einem Bürgerentscheid vor einem Monat gegen Sonntagsöffnungen ausgesprochen haben.

Diesen Grundsatz sieht DIE LINKE allerdings mit der angestrebten Lösung nicht erfüllt und wird deshalb mit NEIN stimmen.