Sondersitzung des Rates zur 49. Änderung des Flächennutzungsplans der Stadt Wuppertal "Dreigrenzen" Klageverfahren

Bernhard Sander

Der Rat der Stadt entscheidet heute über eine gewichtige Frage. Aber es ist nicht die Entscheidung: Will der Stadtrat IKEA oder nicht. Es ist KEINE Entscheidung über ein Möbelhaus. Es ist vielmehr eine sehr grundsätzliche Frage.

Die Stadtratsmehrheit leitet die Änderung des Flächennutzungsplan ein.  Das Land verfügt daraufhin einen Planungsstopp  im November 2012.  Um die Bestimmungen des neuen Landesentwicklungsplans zu umgehen, beschließt die Stadtratsmehrheit nun im März 2013 eine neue Sortimentsliste und handelt sich im Oktober eine Unterlassungsverfügung ein. Und gegen diese soll nun geklagt werden.

Einerseits könnte man es ja locker sehen: Schön, stark und mutig : Schön vor die Wand gerannt, stark abgeprallt und mutig wieder dagegen gerannt.  Aber es ist leider kein Spaß.

Die Hausausstellung, die  seit Jahrzehnten gut für Wuppertal und die  Region war, wurde aus der Stadt vertrieben.  Was statt dessen kommt, ist nun mal erst ungewiss. Die Mietausfälle der Stadt aufgrund des Wegzugs der Ausstellung sind allerdings gewiss, werden aber nicht öffentlich gemacht.

Wir alle wissen, dass Wuppertal in dem Segment „Möbel“ unterversorgt ist. Wir wissen, dass  der angebliche Schwedische Möbelkonzern beliebt ist. Es wäre Aufgabe der Wirtschaftsförderung ein Möbelhaus nach Wuppertal zu holen. Stattdessen wurde ein Einkaufszentrum am Rande der Stadt geplant vom Investor IIGC, so heißt wohl die Finanzholding.

Das Land hat das untersagt und nun soll der Stadtrat die Stadtspitze „ermächtigen“, dagegen zu klagen und alle juristischen Hebel in Bewegung zu setzen. Es geht dabei allerdings nicht um eine juristische Frage sondern um eine soziale Frage. Die soziale Frage, die wir uns alle beantworten müssen, lautet: Wollen wir dieses Einkaufszentrum am Rande der Stadt auf Kosten des angestammten z. T. inhabergeführten Einzelhandels, auf Kosten einer Stadt der kurzen Wege und einer bewohnerfreundlichen Kleinteiligkeit?

  1. Die Landesregierung hat ihre Versagungsverfügung  u.a. mit der Zentrenrelevanz des Sortiments begründet. Was ist relevant für die Zentren unserer Wuppertaler Innenstädte? Relevant ist z. B. dass, bereits heute 30% der Bewohner kein Auto haben und diese Zahl steigt, da die Zahl der alten Menschen zunimmt, die sich ein Auto nicht mehr leisten können oder wegen Gebrechlichkeit den Führerschein abgeben. Wo sollen die älteren Menschen einkaufen, wenn zentrenrelevantes Sortiment aufgegeben wird oder an den Stadtrand wandert?
  2. Jeder Euro kann nur einmal ausgegeben werden. Wir haben bereits früher darauf hingewiesen, dass die private Kaufkraft gesellschaftlich sinkt. Das trifft selbstverständlich nicht das obere Fünftel der Gesellschaft, aber die kaufen wiederum nicht massenhaft Schraub-Möbel. Umgekehrt gelten in unserer Stadt ein Fünftel der Haushalte als überschuldet.

Das Land untersagt des weiteren diese Änderung des Flächennutzungsplans wegen der fehlerhaften Berücksichtigung der Lärmimmissionen. Wir kennen die Blechlawinen im Umfeld dieser Einkaufszentren. Diese Ratsvorlage offenbart, wes Geistes Kind die Stadtspitze und die sie tragende CDUSPD-Fraktion ist:  Trotz des zu erwartenden hohen Verkehrsaufkommens vertritt man eine Ansicht, „die es nicht erforderlich macht, dass immissionsrechtliche Details im Rahmen des Flächennutzungsplans konkreten Lösungen zugeführt werden“. Auf dieser Linie liegt, dass man im Bauausschuss einen erneuten Offenlegungsbeschluss fasst, als ob nichts passiert wäre. Auf welcher Rechtsgrundlage plant die Stadt eigentlich weiter – nach dem Planungsstopp  und der Versagensverfügung?

Was die LINKE aber in besonderem Maße irritiert, ist die Tatsache, dass die Stadtspitze versucht, Fakten zu schaffen und sich über die demokratischen Spielregeln hinweg setzen will. Diese Vorlage soll die Stadtverwaltung „ermächtigen“, zu klagen, Rechtsbehelfe gegen eventuelle Urteile bis hin zur Kommunalverfassungsbeschwerde einzulegen, für die die Frist allerdings erst nach der Kommunalwahl abläuft. Die Stadtspitze will also schon heute für eine  hoffentlich andere Mehrheit sprechen und den künftigen Rat binden, bevor die Bürgerinnen und Bürger gesprochen haben.

Eine Form der Unterstützung des Vorhabenträgers kennen wir schon aus der Presse: Der Investor IICG will seine Kapitalfreiheit über die Europäischen Instanzen durchsetzen. Der Investor IICG  will sein Einzelinteresse also über die Entscheidung einer demokratisch legitimierten Landesregierung setzen. Und das berührt die 150 Jahre alte Wuppertaler Sozialdemokratie überhaupt nicht?! Ja geht´s bitte schön noch?!